Der Blick auf die enorme Präsenz des israelisch-palästinensischen Konflikts in westlichen Diskursräumen — insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 — offenbart ein Phänomen der Schieflage in Fragen der Repräsentation: Bekanntenkreise, politische Zusammenschlüsse und sogar Familien „simulieren“ den Nahostkrieg und zerfallen daran. Nicole aus Tulln trägt plötzlich Kufiya und imaginiert sich als „Teil des Widerstands“, während Thomas aus Wörgl mit einem T-Shirt der IDF in die Arbeit fährt, um klare Kante zu zeigen.
Zweifelsohne geht es den westlichen Fanclubs der Nahost-Teams bei der Aneignung der jeweiligen Repräsentation vor allem um eines — um sich selbst. Die Philosophin Isolde Charim sprach in Bezugnahme auf dieses Phänomen von einer identitätspolitischen „Narzissmus-Falle“. Jene, die an diesem Reenactment teilnehmen, merken dabei nicht, dass sie selbst tatsächlich keine Betroffenen sind und tendieren überdies dazu, jene zu bevormunden und zu übertönen, die es eben tatsächlich sind — nämlich jene, deren Familien und Freunde vorot im realen Raketenbeschuss leben, während sie selbst von den Ressentiments & Stereotypisierungen der Debatten in Europa getroffen werden.
Ein Gespräch mit Bini Guttmann & Nora Hasan
über die skurrile Aneignung von Repräsentation in
Nahost-Debatten.
Bini Guttmann, Politischer Aktivist, ehemals Präsident Jüdische österreichische HochschülerInnen (JöH) und Europäische Union Jüdischer Studierender (EUJS)
Nora Hasan, Politische Aktivistin, Vorsitzende ÖH Universität Wien